Bevor man mit dem eigentlichen Halftertraining beginnen kann, sollte das Rind zunächst behutsam an das Halfter gewöhnt werden. Es muss lernen, dass dieses fremde Objekt nichts Bedrohliches ist, dass es weder wehtut noch gefährlich ist.
Gerade weil es für Rinder eher unnatürlich ist, etwas am Kopf zu tragen – besonders wenn es zusätzlich noch klimpert – kann diese Eingewöhnung je nach Tier recht langwierig sein.
Beginnt man das Training mit Milchviehkälbern, verläuft dieser Prozess oft deutlich schneller. Da sie in der Regel stark auf den Menschen geprägt sind und durch das Fehlen ihrer Mutter eng mit uns interagieren, zeigen sie meist eine größere Gelassenheit im Umgang und lassen sich leichter an neue Dinge wie das Halfter gewöhnen. Eine Herausforderung kann da ein älteres Rind oder gar ein Mutterkuhkalb darstellen.
Zu Beginn der Halftergewöhnung ist es von Vorteil, wenn das Rind sich bereits gerne in der Gegenwart des Menschen aufhält, gegebenenfalls Krauleinheiten entgegen nimmt und Futter aus der Hand snackt.
Je nach Rind empfehle ich ganz gerne zu Beginn lieber ein Halfter zu nehmen, welches nicht klimpert. Viele Pferdehalfter haben Metallringe, die gegeneinanderschlagen und einige Rinder finden dies zu Beginn eher gruselig. Dann würde ich Knotenhalfter oder diese Strickhalfter empfehlen, welche man von Bauernhöfen kennt, die auch individuell auf den Kopf anpassen kann.
Wenn das Rind mit dem Klimpern kein Problem hat, kann man natürlich jedes beliebige Halfter nutzen. Ich nutze bei Joy gerne Halfter auf Maß. Man kann aber auch Pferdehalfter nehmen. Dabei ist darauf zu achten, dass Nase und Nacken verstellbar sind, weil Rinder da ein anderes Verhältnis aufweist als Pferde.
Zu Beginn einer Trainingseinheit zeige ich dem Rind gerne das Halfter und beobachte, wie es darauf reagiert. Ich lasse es daran schnuppern und achte darauf, was passiert, wenn ich das Halfter in Richtung seines Kopfes bewege.
Wichtig ist mir, dass das Rind das Halfter positiv verknüpft. So wird das spätere Anziehen im Alltag zu einer Routine, die ohne Widerstand abläuft.
Anfangs halte ich das Nasenstück mit einer Hand offen, sodass die Nase hindurchpassen kann, und halte dahinter ein Leckerli. Oft versuchen die Rinder zunächst, mit der Zunge an das Leckerli zu gelangen, ohne die Nase durch das Halfter zu stecken. In diesem Fall halte ich das Leckerli einfach etwas weiter entfernt oder führe es gezielt hindurch, damit das Rind die Nase durchstecken muss.
Sobald das gelingt, bekommt es natürlich sofort die Belohnung. Wenn das Rind die Nase gleich wieder herauszieht, ist das am Anfang nicht schlimm. Sobald es die Bewegung gezielt ausführt, kann man die Dauer steigern –
zum Beispiel, indem man mehrere Leckerlis hintereinander anbietet oder das nächste Leckerli erst etwas später gibt, damit das Rind die Nase länger im Halfter lässt.
Wenn das Halfter problemlos über die Nase gezogen werden kann, beginne ich damit, die Nackenriemen nach hinten zu führen. Das empfinden nicht alle Rinder als angenehm, daher kann dieser Schritt etwas mehr Zeit erfordern. Ein Clicker kann hier sehr hilfreich sein, um gewünschtes Verhalten punktgenau zu markieren – präziser als Stimme oder Belohnung allein.
Hilfreich ist es auch, dem Rind vorher beizubringen, auf ein Signal den Kopf zu senken. Das erleichtert später das Anlegen des Halfters enorm.
Solch ein Training sollte mit viel Ruhe und Geduld ablaufen. Auch ein vorheriges Höflichkeitstraining rund ums Futterverhalten ist sehr hilfreich – dazu habe ich bereits einen Artikel verfasst. Es mag lästig erscheinen, doch besonders beim gewaltfreien Training wirkt es oft Wunder.
Bei Rindern kann man sich das Verhalten des sozialen Leckens zunutze machen. Es ist ein wichtiger Teil ihres Soziallebens, mit dem sie Beziehungen aufbauen und festigen.
Auch hier empfehle ich, zunächst mit einem Halfter ohne Metallringe zu arbeiten. Diese sind kalt, klimpern oft und können das Tier irritieren. Ziel ist es, das Rind Schritt für Schritt zu desensibilisieren.
Zuerst streichle ich es an den Lieblingsstellen, bis es sich sichtbar entspannt. Dann nehme ich das Halfter zur Hand und nutze es zunächst wie eine Bürste: Ich fahre damit sanft über die Lieblingsstellen und dann über den ganzen Körper. Rinder können dabei regelrecht in eine Art Trance fallen – besonders, wenn der Kopf gesenkt ist und die Nase nach vorne zeigt, eine typische Geste der Gelassenheit und Höflichkeit.
In diesem Zustand kann man sich langsam mit dem Halfter Richtung Kopf vorarbeiten, es vorsichtig über die Nase ziehen und schließlich im Nacken schließen. Am besten verwendet man ein Modell, das nicht über die Ohren gezogen werden muss – das empfinden viele Rinder wegen der Ohrmarken als unangenehm.
Sollte das Rind das Überziehen trotz aller Entspannung nicht akzeptieren, kann es hilfreich sein, eine zweite Person hinzuzuziehen. Diese kann das Streicheln fortsetzen, während man selbst das Halfter anlegt. Je nach Tier empfiehlt es sich auch, das Training auf mehrere Einheiten zu verteilen oder beide Methoden – Leckerli und Streicheln – miteinander zu kombinieren.
Rinder sind keine Maschinen. Was bei einem Tier gut funktioniert, kann bei einem anderen nicht fruchten. Die beschriebenen Methoden sind daher eher als Anregungen zu verstehen – wie Zutaten in einem Rezept, das man individuell anpassen kann.
Wenn ihr eigene Erfahrungen oder neue Ansätze habt, freue ich mich über den Austausch. Genau das macht das Rindertraining so spannend und lebendig.