friedvoll&frei

Sind Leckerlis im Kuhtraining sinnvoll ?

Häufig kommt die Frage auf, ist es denn sinnvoll Leckerlis im Training zu nutzen? Dann macht das Rind doch alles nur für Futter? Oder mein Rind wird bei Leckerlis immer ganz verrückt und rennt mich um, deswegen füttere ich keine mehr. Sind Leckerlis im Kuhtraining nun wirklich sinnvoll?

Die kurze Antwort: JA!

Um besser beantworten zu können, inwiefern Leckerlis nun sinnvoll sind oder nicht, ist es ratsam, sich anzuschauen was Motivation ist, denn Training hängt immer mit Motivation zusammen. Der einfachheit halber befassen wir uns hier nur mit der extrinsischen Motivation, denn jene greift beim Füttern von Leckerlis oder auch beim Trainieren ohne.

Falls euch das Thema mehr interessiert, dann lest euch gerne meinen Artikel zum Thema Motivation durch, in dem ich auch auf die intrinsische Motivation eingehe.

Die extrinsische Motivation

Hierbei wird das Rind oder auch jedes andere Lebewesen durch externe Reize stimuliert, etwas zu tun, was es aus eigene Stücken heraus vielleicht nicht getan hätte. Ganz einfaches Beispiel: Die Eltern wollen, dass ihr Kind sein Zimmer aufräumt und wissen, dass es das aus freien Stücken nie tun würde. Nun können sie entweder sagen, wenn das Zimmer aufgeräumt ist, darf es seine Lieblingsserie im Fernsehen schauen oder um es einfach zu halten, es so lange im Zimmer einsperren oder noch schlimmer zu schlagen, bis es nun endlich beginnt das Zimmer aufzuräumen.
Hier ist es natürlich deutlich netter und kinderfreundlicher mit der positiven Verstärkung als mit der negativen Verstärkung zu arbeiten. (das war jetzt aber logischerweise ein ganz vereinfachtes Beispiel)

Leckerlis im Kuhtraining

Was spricht jetzt für Leckerlis?

Einen positiven Effekt, den ich bei Joy im Training habe, ist es, dass sie seit ich primär positiv verstärkt arbeite, im Training aktiv mitdenkt und sich einbringt. Futterlob ist ein appetitiver Reiz, sprich ein aus der Sicht des Rindes automatisch erstebenswertes Ereignis)
Kuhtraining mit Leckerlis ist also von vorneherein positive Verstärkung

Was spricht gegen Leckerlis?

Natürlich gibt es auch ein paar wenige Argumente gegen das Training mit Leckerlis. Einmal, wenn das Tier extrem unter Futterstress leidet. Es gibt solche Fälle bei denen Futter direkt mit Stress verbunden ist. Allerdings kann es hier helfen, das Rind vorher ausgiebig fressen zu lassen, so dass es nicht hungrig ist. Joy leidet selbst auch unter Futterstress, aber durch gutes Managemnet wird es mit der Zeit immer weniger und solange wir nicht hungrig trainieren, hat das keinerlei Effekt auf unser Training.
Dennoch gibt es sicher auch Einzelfälle, bei denen selbst bei genug Futter, der Stress noch anhält und da kann es tatsächlich ratsam sein, ohne Leckerlis zu trainieren. Um trotzdem positiv verstärkt zu arbeiten, könnte man Streicheleinheiten statt Leckerlis anbieten, sofern das Rind das mag.

Ein weiterer Grund nicht mit Leckerlis zu trainieren ist es, wenn man es schlicht nicht kann, denn wenn man mit Futter im Training arbeitet, dann ist es nicht nur wichtig, was für Futter es gibt, sondern auch wann und wo man es gibt. Der Zeitpunkt des Futters ist entscheidet, welche Bewegung oder Übung es nun als belohnt ansieht. Wenn man zum Beispiel üben will, dass das Rind sein Bein hebt und man das Leckerlis erst vor das Maul hält, wenn das Bein wieder am Boden ist, wird es die Belohnung nicht mit dem gehobenen Bein verbinden. Hier hilft Clicker- oder Markertraining, um präzise Bewegungen zu loben.

Häufige Fragen zum Thema Leckerlis

Mein Rind bedrängt mich und steckt seine Nase in meine Taschen

Das ist für mich ein klares No Go. Ich möchte nicht, dass ich bedrängt werde und permanent meine Leckerlistasche verteidigen muss. Hierbei bietet sich Höflichkeitstraining an, was auch als perfekter Einstieg in das Clickertraining dient. Und ganz wichtig: nicht mit hunrgigem Rind trainieren.

Ich habe aber tatsächlich auch schon ein Rind kennengelernt, dass trotz vollem Magen und Höflichkeitstraining in allen anderen Situationen sehr bedrängend war. Hier kann es helfen die Wertigkeit des Leckerlis zu reduzieren, sprich ein Leckerli zu nehmen, welches es nicht so geil finde. Bei Joy zum Beispiel wäre es langweilige Heucobs statt das Kraftfutter oder Möhren.
Falls das nicht hilft, könnte es helfen mit einem protected Contact zu üben. Ein protected contact bedeutet, dass man nicht direkt mit dem Rind auf dem Platz oder der Weide übt, sondern, dass ein Zaun zwischen Rind und einem selbst ist, damit man seinen eigenen Raum schützen kann und ab da arbeitet man sich langsam vor, bis man am Ende wieder auf dem Platz mit dem Rind zusammen arbeiten kann. Außerdem ist es wichtig, den Futterpunkt weit vom Körper weg zu legen, sprich das Leckerli immer nur weit weg vom Körper mit ausgestrecktem Arm zu geben, so dass das Rind lernt, Futter gibt es nicht direkt am Körper!

Trotz Höflichkeitstraining ist das Rind nicht "höflich"

Hier kann es sein, dass das Leckerli zu nah am Körper gefüttert worden ist und das Rind deswegen weiterhin so nah kommt. Oder aber auch, das Leckerli wurde zu spät gegeben. Also man hat zum Beispiel erst geclickt als der Kopf schon wieder näher kam und nicht mehr in der Nullposition war. Es kann aber auch sein, dass das Rind genau weiß, wann es sich benehmen muss und wann nicht, denn auch Rinder können situationsbedingt lernen und wissen auf der Weide wenn es Möhren gibt, muss ich mich benehmen, im Stall wenn es Kraftfutter gibt nicht mehr. Hier hilft erstmal nur eines: üben, üben, üben. Und zwar in so vielen Sitationen wie möglich. Auf der Weide, auf dem Platz, im Stall, am Halfter, ohne Halfter…

Ein Blick für den Click
Leckerlis im Kuhtraining ?

Ein weiteres Problem, welches auftauchen kann, wenn man mit Leckerlis arbeitet, ist dass man im falschen Moment clickt/makert, denn das Timing ist bei der Arbeit mit Leckerlis essentiell. Klickt man zu früh oder zu spät, belohnt man womöglich ein Verhalten, dass man gar nicht belohnen will.

Um den richtigen Blick dafür zu bekommen bedarf es manchmal ein wenig Übung. Hier kann ich nur empfehlen, sich selbst zu filmen, um zu sehen, wie reagiere ich, wo verrate ich vielleicht schon, dass ich jetzt gleich clicke.
Denn Rinder sind meister im analysieren unserer Körpersprache und ein Fehler, den man häufig begeht ist, dass man die Hand in mit dem Leckerli unmittelbar vor dem Auslösen des Clicks bewegt, wodurch das Rind dann weiß: „ah jetzt kommt das Leckerli“ ohne auf das Click achten zu müssen.

Es kann auch helfen jemanden zu Rate zu ziehen, der schon länger clickert und sich während des Trainings helfen zu lassen.
Den richtigen Blick fürs Click zu bekommen, kann dauern, aber lasst euch davon bloß nicht entmutigen, denn bisher hat sich der Weg immer gelohnt.