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Wenn das Rind ständig stehenbleibt

Ein sehr häufiges Thema in Sachen Rindererziehung ist das Stehenbleiben während des Führtrainings. Da sind schon so einige dran verzweifelt und auch ich selbst hatte öfter mit dem Thema zu tun.

Hier gibt es ein paar Tipps und Tricks, die man ausprobieren kann, um einem Rind das Laufen am Strick schmackhaft zu machen. Dennoch sollte man sich immer fragen, ist es sinnvoll mit diesem Rind zu trainiere, da es einfach Exemplare gibt, die keinen Spaß daran finden und das ist auch vollkommen in Ordnung. Es gibt noch einen Haufen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten, die man statt der Halfterführigkeit machen kann und eine fehlende Halfterführigkeit ist kein Kriterium um Rinder gut händeln zu können

Ich möchte euch gerne Lino vorstellen (links): ein stattlicher Ochse, den man mit Druck einfach nicht bewegen konnte und selbst wenn man sich mit seinen 60, 70, 80 Kilo in den Strick gehängt oder munter dran rumgezupft hat, hat er sich schlicht nicht bewegt. Entweder folgte auf Druck gar keine Reaktion (und man kann über 1 Tonne Rind nicht hinter sich herziehen) oder es folgte Gegendruck. Also so oder so dieser Ochse lief nicht am Halfter.

Was also tun?

Bei Lino habe ich sehr schnell gemerkt, dass er aufgrund seiner Masse einfach langsamer lief und reagierte. Dazu kam die frühe Kastration, die seine geistige Entwicklung eingeschränkt hat, wodurch er vom Kopf her sehr kindlich und unsicher war. Diese Unsicherheit resultierte darin, dass er lieber erstmal stehen blieb und sich die Lage genau ansah, dass er dann dazu wie geschrieben ein wenig zu mollig war, verstärkte den Effekt, dass er nicht gerne loslief, sobald er einmal stand.
Und kein Ziehen oder Zupfen hat ihn dazu bewegt, vorwärts zu gehen.

Bei Lino ging es mir primär also darum, ihn positiv zu motivieren. Ihm Bewegungsanreize zu schaffen, die ihn zum Laufen bringen.
Im Video seht ihr wie das Ganze aussah, sehr langsam aber dennoch ging es vorwärts. Ich habe ihn für das Laufen und Bewegen belohnt, so dass er Spaß daran finden konnte. Allerdings belohne ich ihn da noch im Stehen, da Essen und Laufen ihn noch etwas überfordert. Später würde ich aber definitiv empfehlen, während des Laufens die Leckerlis zu geben und jene so zu dosieren, dass sie auch während des Laufen gekaut werden können.
Also lieber eine kleiner Hand voll nehmen. Hier bieten sich super Pellets oder Clickerleckerlis an, damit das Kauen während des Laufens nicht zu viel Hirnleistung nimmt.

Halfterführigkeit über Clickertraining

Was ich gerne empfehle, wenn es im Training wortwörtlich nicht vorwärts geht, ist ganz offensichtlich die positive Verstärkung genauer gesagt das Clickertraining. Hier arbeitet man mit für das Rind positiv empfundenen Reizen und ganz ohne Druck. Und mit Druck ist hier auch das Schieben an der Schulter gemeint oder ein Zupfen am Strick.
Bei der positiven Verstärkung geht es darum, dass das Rind für das Laufen am Strick belohnt wird. Als Belohnung bietet sich hierbei primär Futter an, da Kraulen hier als Lob nicht gut funktioniert, da man dafür stehen bleiben muss und das Rind dann die Handlungskette Laufen-Stehenbleiben-Kraulen lernt und nicht Laufen=Belohnung, was das Stehenbleiben am Ende nur unnötig begünstigt

Wie fängt man damit nun am besten an?

Wenn dein Rind das Clickern schon kennt, könnt ihr direkt einsteigen, wenn nicht empfehle ich erstmal über Höflichkeitstraining den Click quasi positiv aufzuladen. Oftmals steigt die Bereitschaft mitzuarbeiten durch das positive Training bei den Rindern ganz automatisch.
So oder so ist der nächste Schritt dann Strick und Halfter an Rind bringen und sich in einen geschützten Bereich begeben (also Weide, Box, Laufstall, Roundpen, etc.) Optimalerweise sind die Möglichkeiten der Ablenkung auch nicht zu hoch, also vielleicht nicht direkt in der Box trainieren, in der andere Rinder anwesend sind oder wenn gerade etliche Leute am Platz oder der Weide vorbeilaufen.
Dann stellt man sich ein paar Meter vor das Rind und bittet es zu kommen, dass kann man über freundliche Worte, einladende Körpersprache oder auch im Notfall Hinsetzen erreichen. Bewegt sich das Rind klickt man sofort (Timing ist wie immer sehr wichtig). Anfangs ist es nicht schlimm, wenn das Rind dann vor einem stehenbleibt. Jedoch sollten die Abstände natürlich immer länger werden zwischen stehenbleiben und füttern und um die Verhaltenskette laufen-stehenbleiben-futter zu vermeiden, sollte man am besten die Leckerlis während des Laufens geben. Sprich man klickt während des Laufens und gibt dabei das Leckerli, ohne, dass das Rind dabei stehen bleibt. Es gibt Rinder, denen fällt Essen und Laufen gleichzeitig schwer, da hat es sich bewährt kleine Leckerlis oder zum Beispiel wenig dosiertes Kraftfutter anzubieten, denn je weniger im Mund ist, desto eher klappts mit dem Essen beim Laufen, weil man sich nicht so drauf konzentrieren muss.

Das Handtarget

Es gibt Rinder, die verstehen zwar, was man beim Clickertraining von ihnen will, aber sehen vielleicht dennoch keinen Sinn oder kein Ziel neben uns her zu laufen. Wenn das Rind also trotz clickern und am Strick zupfen, also negativer Verstärkung, nicht läuft, ist eine weitere Methode, das Handtarget. Denn seine Hand hat man bekanntlich immer dabei.
Beim Handtarget konditioniert man das Rind darauf, dass das Anstupsen oder Folgen der Hand ein Click hervorbringt. Dafür stellt man sich zu Beginn vor das Rind und hält die Hand etwa auf Nasenhöhe und klickt/markert sobald die Nase die Hand berührt. Man kann hier auch das Kommando „Target“ oder „Handtarget“ nennen, um den Rind später besser zu signalisieren, was man möchte. Außerdem ist es kann man darauf achten, dass man nicht mit der gleichen Hand füttert. Es kann sogar sinnvoll sein für eine optische Unterscheidung einen Handschuh über die Hand zu ziehen, die das Target sein soll, allerdings ist dies absolut kein Muss.
Das Antsupsen und Clicken wiederholt man ein paar Mal. Um zu Testen, ob das Rind verstanden hat, dass es die Hand anstupsen soll, um das Click 

ertönen zu lassen, kann man nach einigen Durchgängen die Hand mal hoch über den Kopf halten oder tief zum Boden. Wenn es dann die Hand immernoch zielsicher anstupst, kann man sich sicher sein, dass es das Prinzip verstanden hat. Dann kann man ein paar Schritt weggehen und die Hand hinhalten, Target sagen und schauen ob das Rind kommt und die Hand anstupst.

So oder so kann es praktisch sein, einen Handtarget im Alltag einsetzen zu können. Persönlich nutze ich ihn zum Beispiel auch oft um Joy zu signalsieren, wo sie hingehen soll. Es fällt ihr leichter einfach meiner Hand zu folgen, als nur meiner Körpersprache.

Die Pubertät

Einen kleinen Abschnitt würde ich noch ganz gerne dem Thema Pubertät widmen. Ein Rind kommt mit etwa 6-8 Monaten in die Pubertät oder auch „Sturm und Drang Zeit“. Wie stark diese beim Rind ausfällt, lässt sich pauschal natürlich nicht sagen. Frühkastrierte Ochsen haben meist nur eine sehr schwache Pubertät, da ihnen der Großteil der Hormone ja quasi fehlt.

Die Pubertät kann dazu führen, dass sich das Training mit dem Rind nochmal komplett ändert und sehr anstrengend wird. Das ist aber an sich ganz normal. Die Pubertät ist ja schließlich dafür da, erwachsen und selbstständig zu werden.

Hier kommt es aber dann gerne mal dazu, dass das Rind die Mitarbeit verweigert, gar nicht am Strick laufen will oder sich einfach losreißt. Aber keine Sorge, diese Zeit wird vorbei gehen. Man muss hier nicht besonders hart oder brutal sein. Man sollte schlicht beachten, dass im Körper und Hirn des Rindes gerade viele Prozesse am Laufen sind, die für das Tier vielleicht

selbst vewirrend oder beängstigend sind. Hier also bitte nicht den Kopf in den Sand stecken oder das Rind dafür hart bestrafen. Die Pubertät geht auch wieder rum. Vielmehr bitte mit dem Verständnis ans Training rangehen, dass das Rind Reize nun vielleicht anders wahrnimmt und vielleicht das Training erstmal zurück fahren und mehr Kuscheln oder mehr in Ruhe lassen. Das kann Wunder bewirken.